StartseiteMagazinKulturDie sechs Tage im November 1918

Die sechs Tage im November 1918

Ein Stück Schweizer Geschichte brillant inszeniert: Bis 23. September wird in der Alten SBB-Werkstätte in Olten der Landesstreik 1918 in Szene gesetzt.

Im Programmheft schreibt der Literaturwissenschaftler Peter von Matt: «Ein Land braucht Erinnerung, so wie jeder Einzelne Erinnerung braucht». Um Erinnerung geht es im Theaterstück «1918.CH – 100 Jahre Landesstreik», das bis 23. September in der Alten Hauptwerkstätte der SBB in Olten gespielt wird. Geboten wird eine eindrückliche, zweistündige Inszenierung über die sechs Tage im November 1918, die die Schweiz bewegten und erschütterten.

Vielschichtiger Szenenreigen

Basierend auf historischen Recherchen, hat die Zürcher Regisseurin Liliana Heimberg die Ereignisse von damals zu einem vielschichtigen Szenenreigen zusammengestellt, der die Vorgänge des Novembers 1918 chronologisch nachzeichnet. Der Abend beginnt draussen im Hof, wo auf dem Dachfirst postierte Grenzsoldaten mit Ferngläsern das Ende des Ersten Weltkrieges ausrufen und das unter die Zuschauer verteilte Volk singend das Kriegsende feiert. Dann geht’s in die alte Werkstätte. Ein Oldtimer fährt vor mit General Ulrich Wille, Bundespräsident Felix Calonder und Streikführer Robert Grimm, drei prägende Figuren der damaligen Ereignisse.

Schlagabtausch Bürgerliche gegen Linke: ausserordentliche Bundesversammlung in Bern.

Die Schweiz steht am Rand eines Bürgerkriegs. Erste Risse in der Gesellschaft tun sich auf. Das Volk hungert, muss zusehen, wie die Reichen immer reicher werden, die Arbeiter arbeiten zu Hungerlöhnen, die Frauen verlangen mehr Gleichberechtigung, die revolutionären Umwälzungen in Russland wecken auch in der Schweiz Revolutionsgelüste. Es kommt zu ersten Aufruhren, Ausländer werden ausgewiesen, der Gotthard blockiert, Truppen gegen die Arbeiterschaft aufgeboten. Private Bürgerwehren wie die Vaterländische Vereinigung des Kantons Aargau hetzen gegen die Aufständischen, die Bundesversammlung ringt um eine Lösung, der Bundesrat stellt ein Ultimatum. Der Landesstreik greift, das Militär schreitet ein, es gibt Tote in Grenchen, nach sechs Tagen ist bedingungsloser Streikabbruch. Danach wird untersucht und gerichtet, mehrere Streikführer werden verurteilt.

Grandiose Massenauftritte

Beeindruckend, wie Liliana Heimberg die komplexen Vorgänge durch das hundertköpfige Ensemble aus Laien mit und ohne Theatererfahrung spielen lässt und die düstere Spielstätte mit ihren vielen Türen und Fenstern miteinbezieht. Jede Szene wird orchestral durch die Basler Sinfonietta begleitet. Gespielt wird Musik von Jean François Morel. Das Ensemble schlüpft in verschiedene Rollen, spielt prominente Köpfe, vollführt choreografisch grandios inszenierte Massenauftritte. Und es sind vorab die Frauen, die das Geschehen mit ihrem Kampf gegen die Missstände und für Gleichberechtigung dominieren. Grossartig, wie sie zusammen einen Eisenbahnwagen in die Halle stossen, der für das Frauenstimmrecht steht.

Frauen klagen über Misswirtschaft und fordern die Gleichberechtigung. (Fotos: 1918.CH)

Einzelne Schicksale und ihre Rolle in der Geschichte werden prominent hervorgehoben, so Rosa Bloch, die einzige Frau im Oltner Aktionskomitee, die mit ihren Aktionen gegen erhöhte Lebensmittelpreise kämpfte, Streikführer und Nationalrat Robert Grimm, der zusammen mit Hermann Greulich in Bundesbern einen erbitterten Schlagabtausch mit den bürgerlichen Kontrahenten führte und den Streikabbruch anordnete, und viele mehr. Aber auch einfache Leute wie Anna Vogt, die beim Bundesrat um Hilfe für ihren angeschossenen Mann ersuchte, runden den Mix an O-Tönen von oben und unten ab. Der Landesstreik ist nicht folgenlos geblieben: Die 48-Stundenwoche wurde 1919 eingeführt, im gleichen Jahr die Proporzwahl des Nationalrates, viel später die AHV (1948) und das Frauenstimmrecht (1971).

Rund ein Jahr lang geprobt

Besondere Erwähnung verdienen die hundert Darstellerinnen und Darsteller jeden Alters (auch Schulkinder sind mit von der Partie), die mit Engagement und ansteckender Spielfreude die damalige Zerrissenheit der schweizerischen Gesellschaft nuancenreich und lebendig nachzeichnen. Rund ein Jahr lang haben sie ihre Auftritte geprobt. Das Ergebnis überzeugt in allen Belangen. Dafür gabs am besuchten Abend langanhaltenden Applaus.

Alle Auftritte sind temporeich inszeniert, erfordern von den Zuschauern hohe Konzentration. Künftige Besucherinnen und Besucher der Theateraufführung sind gut beraten, sich vorgängig über die Geschichte des Landesstreiks zu informieren, um auf der Bühne die Zusammenhänge des damaligen Geschehens plausibel mitverfolgen zu können.

Mehr unter www.1918.ch

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