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Fliegen statt fressen

Wie es sich anfühlt, sich vom eigenen Schwarm abzusondern, erleben wir mit der «Möwe Jonathan» von Richard Bach. Ganz ungefährlich ist solches Tun nicht.

Unter dem Originaltitel «Jonathan Livingston Seagull» erschien die Geschichte der Möwe Jonathan 1970 in USA. Sie wurde zu einem grossen Erfolg und 1973 auch verfilmt. Als ich in jenen Jahren einem Freund aus den USA mit Begeisterung von Jonathan erzählen wollte, verwarf er die Hände. «Bitte verschone mich» sagte er. «Ich komme soeben aus San Francisco zurück, die Schaufenster der Buchhandlungen überquellen von dieser Möwe. Ich kann sie nicht mehr sehen.»

Das dämpfte meine Begeisterung kein bisschen. Nur musste ich mir andere Menschen suchen, mit denen ich mich austauschen konnte. Meines Erinnerns war Jonathan auch bei uns populär. Jedenfalls wurde er sogar in einer Sonntagspredigt von einer Kanzel herab gewürdigt. Das war doch so etwas wie ein «Ritterschlag».

 

Anders als alle Andern

Wovon handelt die Geschichte? Von einer Möwe, die heraus fand, dass Fliegen mehr bedeutet, als Nahrungssuche. Während die anderen Möwen sich zufrieden gaben, Futter zu erhaschen, wollte Jonathan mehr. Er hatte entdeckt, wie vielfältig die Flugkunst war. Und probierte, abseits der anderen, seine Fähigkeiten aus.

Es nützte nichts, dass seine Mutter ihn mahnte: «Ist es denn wirklich so schwer, wie alle anderen zu sein? Warum überlässt Du den Tiefflug nicht dem Pelikan oder dem Albatros?!» Aber seine Antwort war: «Ich muss herausfinden, was ich in der Luft kann und was nicht, das ist alles. Ich muss es einfach wissen.»

Auch sein Vater versuchte es: «Wenn Du unbedingt etwas lernen willst, dann lerne, wie man sich sein Futter beschafft. Fliegerei, gut und schön, aber von einem Gleitflug kann man nichts abbeissen, verstehst du? Zweck des Fliegens ist, dass man etwas zu essen hat, vergiss das nicht.» Jonathan versuchte, gehorsam zu sein und sich anzupassen. Aber er schaffte es nicht. Nach kurzer Zeit machte er erneut seine Flugversuche.

 

Faszination Fliegen

Wir vernehmen sehr viel über die Technik des Fliegens in diesem Buch. Wir erleben Gleitflug, Sturzflug, Geschwindigkeitsrausch. Aber auch ganz gefährliche Situationen, in welchen wir Herzklopfen bekommen und befürchten müssen, Jonathan gehe an seiner Kühnheit zugrunde.  Aber er schafft es immer wieder, davonzukommen.

Und Jonathan entdeckte «den Looping, die langsame Rolle um die eigene Achse, das Rollen nach Punkten, das verkehrte Trudeln, den Abschwung und das Windrad». Und war der naiven Meinung, wenn sein Schwarm von all diesen Errungenschaften höre, würden alle überglücklich sein. Denn, was er erworben hatte, war Freiheit. Und diese Freiheit wollte er mit den anderen teilen.

Aber es kam anders. Der Älteste beorderte ihn in die Mitte vor die Versammlung der Möwen und hielt ihm skrupellosen Leichtsinn vor, mit dem er gegen die Würde und die Traditionen der Möwensippe verstossen habe. Jonathan wehrte sich, wollte erklären, es nützte nichts, er wurde verbannt. «Der Schwarm hockte da wie aus Stein» heisst es, «die Brüderschaft ist zerbrochen» intonierten sie.

 

Gegenwind macht erst mal einsam

Jonathan war ausgeschlossen von den Seinen. Aber er experimentierte weiter, vervollkommnete sein Fliegen mehr und mehr.  Zuerst blieb er allein, in der Einsamkeit. Aber mit der Zeit bekam er Gefährten und wurde zum Lehrer anderer Möwen, die sein Streben teilten.

Es ist leicht zu erkennen, dass das Schicksal von Jonathan, das Benehmen der Möwen seiner angestammten Gemeinschaft, ein treffliches Bild der menschlichen Gesellschaft abgeben. Wer immer sich einmal, in irgendeiner Weise, dem Mainstream entgegenstellt, findet im Buch über Jonathan vertrautes Gelände.

Das Tröstliche ist, dass Jonathan Gleichgesinnte findet und auf seinem fliegerischen Weg unaufhaltsam fortschreitet.

Über Jonathan habe ich vor Jahrzehnten gelesen.

Es ist mir unerklärlich, warum das Buch jetzt wieder auf meinem Tisch liegt.  Wahrscheinlich ist es Zufall. Aber ich glaube ja gar nicht an den Zufall. Jedenfalls habe ich mir die Gechichte mit derselben Aufmerksamkeit und mit demselben Vergnügen wie damals wieder zu Gemüte geführt.

Über den Autor, Richard Bach, geboren 1935 in USA, ist zu sagen, dass er schon mit siebzehn Jahren dem Fliegen verfiel. Er war Jetpilot, Schauflieger und Fluglehrer.

Wer will sich da noch über «Jonathan Livingston Seagull» wundern?

In den letzten Tagen lärmten die Eurofighter in ihren Probeflügen an einem Morgen und dann am Nachmittag über unsere Stadt. Ich meine, auch die Patrouille Suisse habe an einem dieser Tage ihre eleganten Schleifen an unserem Firmament gezogen.  Irgendwelche Bezüge zwischen Jonathan und den Piloten dieser Maschinen? Wer immer sich «aufschwingt» das inspirierende Buch zu lesen, möge selber entscheiden!

 

Richard Bach: „Die Möwe Jonathan“, Ullstein-Verlag, Berlin. Sonderausgabe im Taschenbuch, 4. Auflage 2017. ISBN 978-3-548-28451-4

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