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Frauenleid in Männerreligionen

Fünf Frauen brechen im Dokumentarfilm «#Female Pleasure» der Schweizerin Barbara Miller das Tabu der patriarchalen, frauenfeindlichen Strukturen der Gesellschaften und Religionen.

Mit einer unfassbaren positiven Energie und aller Kraft setzen sich Deborah Feldman, Leyla Hussein, Rokudenashiko, Doris Wagner und Vithika Yadav über gesellschaftliche und religiöse Normen und Schranken hinweg für sexuelle Aufklärung der Frauen ein. Dafür zahlen sie einen hohen Preis, sie werden öffentlich diffamiert, verfolgt und bedroht, von ihrem ehemaligen Umfeld verstossen und von Religionsführern und fanatischen Gläubigen mit dem Tod bedroht. «#Female Pleasure» ist ein Film, der schildert, wie universell und alle kulturellen und religiösen Grenzen überschreitend die Mechanismen funktionieren, welche die Situation der Frauen bis heute bestimmen. Gleichzeitig zeigen die fünf Protagonistinnen auf, wie man mit Mut, Kraft und Lebensfreude diese Strukturen verändern kann.

Der Dokumentarfilm begleitet die fünf mutigen, starken und klugen Frauen aus den fünf Weltreligionen und schildert ihren risikoreichen, aber erfolgreichen Kampf für eine selbstbestimmte weibliche Sexualität und für ein gleichberechtigtes, respektvolles Miteinander der Geschlechter. Bewegend, intim und zu jedem Zeitpunkt positiv vorwärtsgewandt schildert der spannende und informative Film die Lebenswelten der Protagonistinnen und ihr Engagement für die Befreiung in einer hypersexualisierten, säkularen Welt. Der auf- und anregende Film der Schweizer Dokumentaristin Barbara Miller (*1970) ist ein gelungenes Plädoyer für das Recht auf Selbstbestimmung und gegen die Dämonisierung der weiblichen Lust durch religiöse Gebote und gesellschaftliche Restriktionen.

Die fünf Protagonistinnen und ihre Ansätze

Weibliche Rebellion gegen das ultra-orthodoxe Judentum

 

Deborah Feldman wuchs abgeschotteten in einer ultraorthodoxen jüdischen Familie im New Yorker Quartier Williamsburg auf. Mit 17 Jahren wurde sie an einen jungen Mann verheiratet, den sie zuvor ein einziges Mal gesehen hatte. Unmittelbar vor ihrer Hochzeitsnacht hörte Deborah das erste Mal im Leben von Sex und ihren Pflichten als Ehefrau. Sie begann nach Wegen zu suchen, mit ihrem Sohn zusammen die Gemeinschaft zu verlassen. Heute lebt sie als erfolgreiche Schriftstellerin ein freies, selbstbestimmtes Leben in Berlin. Sie ist seit der Veröffentlichung ihres Bestsellers «Unorthodox» Hoffnungsträgerin vieler in ultra-orthodoxen Gemeinschaften lebenden Jüdinnen.

Sexuelle Selbstbestimmung im fundamentalistischen Islam

 

Leyla Hussein wurde als 7-jähriges Mädchen einer strenggläubigen muslimischen Familie genital verstümmelt, obwohl der Koran diese Praxis nicht kennt. Seit der Geburt ihrer Tochter kämpft sie für körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung muslimischer Frauen in fundamentalistischen Ländern, aber auch in Europa. Leyla setzt sich für das Recht aller Frauen auf eine lustvolle Sexualität ein und kämpft heute als Psychotherapeutin und Aktivistin gegen weibliche Genitalverstümmelung in Afrika und Europa und tritt vor der UNO und dem englischen Parlament auf, um die Situation gefährdeter Mädchen endlich erfolgreich zu verändern.

Künstlerische Befreiung des weiblichen Körpers im Buddhismus

 

Die Japanerin Rokudenashiko, wuchs in einem traditionell-buddhistischen-schintoistischen Elternhaus auf. Als Manga- und Aktionskünstlerin mit Vagina-Performences kämpft sie gegen die Verteufelung der weiblichen Lust und Sexualität in Japan. Sie wurde deshalb verhaftet und angeklagt. Ihr drohen zwei Jahre Haft. Rokudenashiko setzt sich vehement für die Akzeptanz der künstlerischen Darstellung der Vagina und für die künstlerische Freiheit in ihrer Arbeit ein. Durch alle Instanzen kämpft sie für einen Freispruch in ihrem Prozess wegen «Obszönität».

Kampf gegen sexuellen Missbrauch im erzkatholischen Christentum

 

Doris Wagner, aufgewachsen in einer strenggläubigen protestantisch-katholischen Familie in Bayern, trat mit 19 Jahren in ein erzkatholisches Ordenskloster ein. Sie erlebte sexuellen Missbrauch und kämpft seither gegen Doppelmoral und sexuelle Übergriffe in der katholischen Kirche. Als studierte Theologin und promovierte Philosophin engagiert sich Doris für Missbrauchsopfer der katholischen Kirche und kirchlicher Sekten. Sie versucht eine Anerkennung der Verantwortung und ein Umdenken seitens der katholischen Kirche von höchster Stelle zu erwirken.

Sexuelle Befreiung im ultra-nationalistischen Hinduismus

 

Vithika Yadav wuchs als Mädchen in einer traditionellen hinduistischen Familie im nordindischen Rajasthan auf. Von klein auf lernte sie, keinem Mann in die Augen zu schauen und sich nie allein auf die Strasse zu wagen. Doch alle Verhaltensregeln schützten sie nicht vor dem, was der überwiegenden Mehrheit der indischen Mädchen und Frauen täglich widerfährt: «Eve teasing» (Eva hänseln) nennen es die Männer, gemeint sind damit sexuelle Belästigungen und Übergriffe an Mädchen und Frauen. Doch Vithika begann, sich zu wehren. 2013 gewann sie den Preis für «Excellence & Innovation in Sexuality Innovation» für die von ihr mitgegründete indische Sexualaufklärungsplattform «Love Matters», die heute Millionen von Nutzer und Follower hat.

Ein spannender, wichtiger Film, der auf- und anregt

Niemanden, weder Frauen noch Männer, dürfte «#Female Pleasure» von Barbara Miller unberührt lassen. Denn was der Film zeigt, geschieht leider täglich und weltweit, auch bei uns. Er lässt uns mit eindrücklichen Szenen und aussagekräftigen Statements unter die Oberfläche der sexistischen, masochistischen, frauenverachtenden Wirklichkeit blicken, welche die Regisseurin in ihrer Zusammenschau entlarvt und kritisiert.

Dass die offensichtlichen wie die verborgenen Gründe für einen Grossteil dieser Unmenschlichkeiten in den grossen, von Männern gegründeten, über Jahrhunderte und Jahrtausende von Männern verwalteten und auch heute noch von Männern regierten Religionen liegen, lässt aufhorchen, erschüttert und macht wütend. Mir fällt dazu eine einzige Antwort ein: das kurze und dennoch umfassende Bekenntnis des französischen Schriftstellers Victor Hugo (1802 – 1885): «Ich hasse alle Kirchen, ich liebe die Menschen, ich glaube an Gott.» Den Protagonistinnen vor der Kamera und den Filmemacherinnen hinter der Kamera gebührt mein Dank, dass sie uns so viel Aufklärung ermöglichen und trotz der Ungeheuerlichkeiten weiter auf Veränderungen hoffen und sich dafür engagieren.

Interview mit der Autorin und Regisseurin Barbara Miller zum Film «#Female Pleasure» PDF

PS: Am Sonntag, 18. November um 10 Uhr, strahlt SRF in der Sternstunde unter dem Titel «Sexualität: Gottes unheiliges Geschenk» ein Gespräch mit der Regisseurin Barbara Miller aus.

Titelbild: Prozession im hinduistischen Indien
Regie: Barbara Miller, Produktion: 2018, Länge: 97 min, Verleih: Filmcoopi

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