StartseiteMagazinKultur"Manon" und zwei Traumstimmen

«Manon» und zwei Traumstimmen

Kein Opernstoff ohne Liebesdrama und wenig Vertonungen so erfolgreich wie der Roman von  Abbé Prévosts „Manon Lescaut“, wo auch bei Massenet herzzerreisend gestorben wird.

„Am 19. Januar 1884 fand in der Pariser Opéra-Comique die Uraufführung von Massenets erfolgreichster und beliebtester Oper „Manon“ statt. Aufgewühlt und hingerissen folgte das Premierenpublikum dieser Musik des Herzens, diesem unverwechselbaren französischen Dokument der Liebe und der Jugend, der Hoffnung und der Trauer, des Glanzes und des Todes.“

Diese Einleitung ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich entnehme sie vielmehr dem Programmheft des Zürcher Opernhauses, das die Oper „Manon“ nach 1967/68 auch 1984/85 in Neuinszenierungen auf dem Spielplan hatte. Jules Massenet erlebte noch zu seinen Lebzeiten die 500. Aufführung seiner Vertonung. 1905 war die 1000. Vorstellung und 1952 die 2000. auf den Spielplänen. Aktuell wird die 3000. Wiedergabe sicher überschritten sein. Abbé Prévosts weltberühmter Roman wurde neben Massenet auch noch von Auber, Puccini und Henze vertont, ein Kassenschlager also erster Güte.

Heutzutage ist man aber eher geneigt zu fragen: Warum schon wieder? Nicht, weil es sich nicht mehr lohnte, die Oper zu hören, sondern weil mit der „Traviata“, der „Bohème“ und der „Pique Dame“ ähnliche Schicksale tränetriefend und kasseklingend eiserner Bestandteil jedes Musiktheater-Repertoires sind. Weshalb neben dem „Werther“ nicht wieder einmal Massenets „Le Cid“, „Thaïs“, „Don Quichotte“ oder gar „Marie-Magdeleine“ begegnen?

Elsa Dreisig und Piotr Beczala: ein unwiderstehliches Liebespaar / Fotos © T+T Toni Suter

Es ist wie in der Chorliteratur: Wenn die immergleichen 10 bis 20 Oratorien abgespult sind, folgen nicht die Raritäten oder die sehr interessanten weiteren 30 geistlichen Werke, nein, die Litanei beginnt wieder ganz von vorne mit Bach, Verdi und Händel. Nur, die Chöre können sich im Gegensatz zu den reich dotierten Kulturinstitutionen kein finanzielles Fiasko leisten.  Darum wäre etwas mehr Mut zu einer weniger ausgeleierten Programmation zu begrüssen.

Wenn der Funke nicht so recht springen will

Eigentlich ist weder an der Inszenierung noch an der Ausstattung noch an der musikalischen Umsetzung etwas zu bemängeln. Die Regie von Floris Visser zeichnet die Figuren sehr sinnfällig nach  (auch mit dem verwegenen Einfall, über dem Klosteraltar die Geliebte als Fata Morgana anstelle der Gottesmutter erscheinen zu lassen). Dass sich im Musiktheater des 19. Jahrhunderts bei Konflikten immer alle ins Kloster flüchten, gehört zu den Parade-Klischees der Zeit.

Wenn die Geliebte als Altarbild erscheint: Mönch Piotr Beczala ist von Sinnen

Das Bühnenbild mit der geschickt genutzten Schiebewand und die geschmackvollen und authentischen Kostüme schaffen Atmosphäre, und Marco Armiliato führt die Philharmonia Zürich, die  Sänger und den Chor (Ernst Raffelsberger) in überlegener Manier und mit aufwallend präzisen Nadelstichen durch die Partitur. Auch an der französischen Diktion ist wenig auszusetzen, ausser beim Ukrainer Yuri Yurchuk, der als Lescaut, dem Cousin von Manon, die gewichtige Partie gesanglich mit einem röhrenden Hirsch verwechselt. Da walzt einer – immer zur Unzeit – den filigranen Duktus flirrender Eleganz ins unnötig Grobe, wodurch die intendierte Balance Massenets leider ziemlich oft aus dem Lot gerät.

Und am Traumpaar Elsa Dreisig (als Manon) und Piotr Beczala (als Chevalier des Grieux) kann es schon gar nicht liegen – oder doch? Beczala, heute ein Weltstar der Superlative, ist gesanglich wie darstellerisch mit seiner reinen Seele derart unwiderstehlich, dass man es gar nicht für möglich hält, dass die andere reine Seele, Manon, ihn um des Luxus willen verlässt und sich dem faden Stümper Marc Scoffoni (als reicher Prasser De Brétigny) an den Hals wirft.

Nur weg vom Kloster: Manon und des Grieux wollen es noch einmal miteinander versuchen

Natürlich hat das auch mit der Musik zu tun, denn im Gegensatz zur Traviata und  zur Bohème hat Massenet sein verschwenderisches Augenmerk fast nur dem Liebespaar gewidmet. Wenn dann die blutjunge Elsa Dreisig, die eins ums andere renommierte Gesangswettbewerbe einheimst und vor einer grossen Karriere steht, mit Piotr Beczala, dessen Stimme fürs relativ kleine Zürcher Opernhaus schon fast zu gross ist, zu den Liebeshymnen ansetzt, dann möchte der Zuhörer für selige Augenblicke den unverständlichen Trennungsschmerz wegretouchieren und schon gar nicht glauben, dass die beiden erst im Tod wieder vereint zusammen  finden. Aber das ist Oper, und wer die Widersprüche ins Pfefferland wünscht, wird an der Gattung weiter leiden oder sich halt ganz dem irisierenden Gesangsgenuss hingeben wollen.

Von einnehmender Rollendeckung sind Eric Huchet (als Schwarmgeist Guillot de Morfontaine), Alastair Miles (als Vater des Grieux) und die leichten Damen Deniz Usun, Yuliia Zasimova und Natalia Tanasii (als Rosette, Poussette und Javotte).

Weitere Vorstellungen: April 10, 13, 18, 22, 26, Mai 4, 12, 15

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