Unten und oben

Was politische Einordnungen noch zu definieren vermögen. Und: Wie stehts mit dem Mittelstand?

 

Linke und Rechte, Linksradikale und Rechtsradikale, Rechtspopulisten und Linkspopulisten, Liberale und Konservative, Sozialliberale und Liberalsoziale, Linksliberale und Rechtsliberale, Isolationisten und Weltoffene, die viel gepriesene Mitte, dazu mittelinks und mitterechts. Was gibt es sonst noch? Freie Demokraten, Freie Wähler, Unabhängige Bürger, gar Reichsbürger, die keine staatliche Ordnung akzeptieren wollen.
Alexandria Ocasio-Cortez, die jetzt neu gewählte und mit 29 Jahren die jüngste Abgeordnete im US-Repräsentanten-Haus brachte es nach den Wahlen zu ihrem überwältigten Sieg in New York auf den Punkt: „Alle diese Einteilungen sind überholt. Sie bringen nicht zum Ausdruck, was mich bewegt und bedrängt: nämlich „unten und oben“. „Ich stehe ein für die unten, für die Menschen, die hart arbeiten, aber nicht oder gar nicht über die Runden kommen. Es sind sicher nicht die oben. Und es sind vor allem nicht die, für welche sich Donald Trump einsetzt. Es sind die, denen er die Sozialleistungen kürzen, es sind die, denen er die Krankenversicherungen wieder nehmen will. Es sind die Migranten-Kinder, die er von den Eltern trennte und so schnell samt ihren Familien wieder dorthin schicken will, von wo sie herkamen, in Länder, in denen es kein Einkommen gibt, aber rohe Gewalt und Korruption.

 

Natürlich umsorgt er, der Milliardär, auch „seine“ armen Leute, die ihm enthusiastischfolgen. Die weissen Männer, die Stahlarbeiter, die weissen Männer, die in den grossen, aber stillgelegten Automobil-Fabriken an den Laufbändern schufteten und jetzt ihre Arbeitsplätze verloren haben, weil viele reiche US-AmerikannerInnen, die Trump wählen, lieber ein prestigeträchtiges, deutsches Auto kaufen. Eben lieber mit einem sportlichen BMW, einem eleganten Mercedes oder gar einem sagenumwobenen Maybach 500 oder einem royalen Rolls Roys aus Grossbritannien unterwegs sein wollen. Bei seinem Besuch in Europa sah er fast keine amerikanischen Strassenkreuzer, und er rieb sich die Augen. Es sind Farmer, die durch den von ihm angezettelten Handelskrieg  Einschränkungen im Export ihrer Produkte erfahren. Die  Retorisionsmassnahmen der betroffenen Länder, insbesondere Chinas, führen zu weniger Einkommen. Trotzdem favorisieren sie ihn und seine Partei und wählten Republikaner. Noch. 

 

Aber wie stehts denn bei uns mit unten und oben? Sind Kassiererinnen an den Kassen in den Einkaufszentren unten, die mit ihren knapp 3’500 Franken kaum ihre Familien durchbringen. Sind es Arbeiter, die mit 6’000 Franken im Monat knapp ihre Familien ernähren können? Sind es die Bauarbeiter, die jetzt aktuell um ihre Pensionierungsregelungen bangen, auf der Strasse für deren Erhalt kämpfen müssen? Sind die nun tatsächlich unten oder sind es nur die ganz Armen, die Arbeitslosen, die mit über 50 Jahren kaum eine Stelle finden. Sind es die 300’000 Rentnerinnen und Rentner, die Ergänzungsleistungen beziehen müssen, um ein einigermassen würdiges Rentnerdasein fristen zu können?

 

Und wer ist denn oben? Beginnt oben bereits bei einem steuerbaren Einkommen ab 100’000 Franken oder erst bei einem von 250’000 Franken, bei den Steuerzahlern, bei denen sich die Kantone gar brieflich bedanken?

 

Oder täuschen wir uns einfach? Zeigt doch der aktuelle Vermögensrapport der Credit Suisse, dass in der Schweiz jeder Erwachsene durchschnittlich gut 535’000 Franken besitzt – ein Weltrekord.

 

Doch der hohe Durchschnitt relativiert sich sogleich: Das reichste Prozent der Menschen in der Schweiz besitzt nach Studien 41 Prozent des Vermögens. Jenen, die weniger als 50’000 Franken besitzen, gehören aber nur 1,6 Prozent des Gesamtvermögens – obwohl mehr als jeder Zweite zu dieser Gruppe gehört, nämlich 55,9 Prozent der Bevölkerung.

 

Und wie das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ für 2018 aufzeigt, verfügen die zehn vermögensten Familien der Schweiz über mehr als 200 Milliarden Franken. Zu diesem erlauchten Kreis gehört auch die Familie Blocher. Gemeinsam besitzen die 300 Reichsten in der Schweiz neu 674 Milliarden Franken. Ihr Vermögen ist in diesem Jahr um 60 Milliarden Franken angestiegen.

 

Um sie müssen wir uns nicht kümmern. Und Neid ist eh nicht angebracht, nicht zielführend. Kümmern müssen wir uns um die Menschen, die mit weniger als 2’500 Franken auskommen müssen und damit unter die Armutsgrenze fallen. Kümmern müssen wir uns aber auch um den Mittelstand, um die Familien und Menschen, die mit ihren Einkommen dem grössten Teil unserer Gesellschaft angehören, deren Zahlen wir nicht so genau kennen, denen sich die „Bilanz“, denen sich die Medien nicht akribisch annehmen, deren präzise Zahlen uns nicht konkret vorliegen. Aber jedermann kann nachrechnen, dass eine fünfköpfige Familie selbst mit einem Lohn von 8’000 Franken im Monat keine grossen Sprünge machen kann. Die Mieten steigen, die Krankenkassenprämien bedrängen, die Kinderbetreuung ist fast unerschwinglich, Ferien sind nur knapp zu berappen.

 

Unten und oben ist in der reichen Schweiz nicht so einfach zu definieren. Aber klar ist, die grosse Mehrheit ist schlicht unter der Mitte. Ihnen hat sich die Politik anzunehmen.

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